Zum Inhalt springen

Untersuchungen und Gutachten abgeschlossen: Stadt Pforzheim stellt Ergebnisse vor und skizziert „Weg zu neuem Gewerbegebiet“

Für ihre zukünftige gewerbliche Entwicklung braucht die Stadt Pforzheim Möglich-keiten der Erweiterung.

Aus diesem Grund hat der Gemeinderat die Verwaltung – wie von Oberbürgermeister Peter Boch zugesichert - im Mai 2018 beauftragt, zwei Flächen näher in Augenschein zu nehmen und einer ergebnisoffenen Prüfung zu unterziehen: Teile der Waldfläche Klapfenhardt, nördlich der Autobahnanschlussstelle Pforzheim-West sowie Teile des Ochsenwäldles, westlich der Autobahnanschlussstelle Pforzheim-Süd. Verschiedene Gutachten und Untersuchungen wurden beauftragt und in den beiden vergangenen Jahren mit großer Sorgfalt durchgeführt. Die Ergebnisse liegen nun vor und wurden dem Gemeinderat gestern in einer Informationsveranstaltung vorgestellt.

Erstes Fazit: Auf dem Weg zu einem neuen Gewerbegebiet gibt es noch hohe Hürden zu überwinden, deutlich höhere als ursprünglich gedacht. Diese Hürden sind bei beiden Prüfflächen aber grundsätzlich ungefähr vergleichbar, sodass die Entscheidung für eines der Gebiete eine Abwägungsfrage zwischen verschiedenen Kriterien/Belangen bleibt. Klar ist aber auch, dass der Prozess länger dauern wird als angenommen. „Dennoch müssen wir diesen Weg gehen“, ist Oberbürgermeister Peter Boch überzeugt. „Ansonsten wird Pforzheim dauerhaft keine Möglichkeit mehr haben, eine gewerbliche Entwicklung in größerem Umfang zu realisieren.“ Der Bedarf an neuen Gewerbeflächen könne nicht allein durch Verdichtung nutzbarer Flächen in bestehenden Gewerbegebieten oder durch die Reaktivierung aktuell ungenutzter und im Privateigentum befindlicher Gewerbeflächen gedeckt werden, „auch wenn das natürlich parallel geschehen muss“.

Die Hauptursache für die beschriebenen Schwierigkeiten liegt im Artenschutz begründet. Die Artenschutzrelevanz ist bei beiden Gebieten erheblich gravierender als ursprünglich vermutet. Dies war so nicht zu erwarten gewesen, weil die städtischen Waldflächen, die außerhalb der Prüfflächen liegen, aus ökologischer Sicht die eigentlich höherwertigen und im Durchschnitt älteren sind. Bei beiden Gebieten werden nun wohl Verbotstatbestände nach dem Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) eintreten, die nur durch Ausnahmegenehmigungen aufgehoben werden können. Bei Klapfenhardt geht es dabei um Fledermäuse und Vögel, bei Ochsenwäldle um Fledermäuse.

Was sind die nächsten Schritte?

Im Wesentlichen müssen drei Voraussetzungen erfüllt werden, um eine Ausnahmegenehmigung zu erhalten: So müssen zwingende Gründe des überwiegend öffentlichen Interesses nachgewiesen werden – dazu können auch solche wirtschaftlicher Art gehören. Durch eine vertiefte Alternativenprüfung muss belegt sein, dass es keine zumutbaren Alternativen gibt. Außerdem darf sich der Erhaltungszustand der betroffenen Populationen in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Ausnahmeregelung nicht verschlechtern. Dort wo CEF-Maßnahmen (continuous ecological functionality-measures), die üblicherweise durchgeführt werden und von denen auch die Stadt Pforzheim bislang ausgegangen ist, nicht ausreichen, müssen geeignete FCS-Maßnahmen (favorable conservation status) gesucht und festgelegt werden. Bei CEF-Maßnahmen werden beispielsweise geeignete Lebensräume für die konkret betroffene Population vorab neu geschaffen; im Gegensatz dazu stellen FCS-Maßnahmen sicher, dass die Population der betroffenen Art in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet ohne Beeinträchtigung in einem günstigen Erhaltungszustand erhalten bleibt.

Zum jetzigen Zeitpunkt besteht eine große Unsicherheit, ob überhaupt geeignete Flächen im erforderlichen Umfang für die Realisierung der FCS-Maßnahmen gefunden werden können und ob diese von der Genehmigungsbehörde als geeignet und ausreichend akzeptiert werden. „Mit einem möglichen Biodiversitätsverlust und den hiermit verbundenen vielfältigen Risiken gilt es also sowohl für Klapfenhardt als auch für Ochsenwäldle umzugehen“, hält Bürgermeisterin Sibylle Schüssler fest und fordert gleichzeitig zu einem sorgfältigen Umgang mit der belebten Natur auf. Klar ist, dass der Konflikt zwischen Artenschutz und Unternehmenswachstum zusätzliche und zeitintensive (zwei bis drei Jahre) Aufgabenstellungen mit sich bringt, die nicht für beide Gebiete parallel durchgeführt werden können. „Es ist daher wichtig, dass der Gemeinderat im November eine grundsätzliche Entscheidung trifft, auf welches Gebiet er sich fokussieren möchte“, so Oberbürgermeister Peter Boch weiter. Dies sei eine Abwägungsfrage. „Wir gehen ergebnisoffen in diesen Prozess.“

 

Gutachten, Untersuchungen und Gegenüberstellung der beiden Gebietsvarianten

Eine Hilfestellung für die anstehende Entscheidung bieten die verschiedenen Gutachten und Untersuchungen, die in den vergangenen Jahren durchgeführt wurden. Zudem hat die Stadt Pforzheim ein zusätzliches Gutachten beauftragt, in dem alle den Artenschutz und Natura 2000 betreffenden Ergebnisse für beide Gebiete durch ein externes Büro bewertet und miteinander vergleichen wurden. „Die Gründlichkeit, mit der unser externer Gutachter vorgegangen ist und die hohe Artenschutzrelevanz, die er nachgewiesen hat, machen deutlich, dass wir eine ehrliche und ungeschönte Bewertung wollen“, sagt Oberbürgermeister Peter Boch. „Wir haben uns ganz bewusst für diese Vorgehensweise entschieden, um Vertrauen und Transparenz zu schaffen; in einer Situation, in der uns einige vorwerfen, schon festgelegt zu sein“, ergänzt Bürgermeisterin Schüssler.

Zwei Gebietsvarianten haben sich herauskristallisiert

Auf Grundlage der Untersuchungen haben sich nun zwei verbleibende Gebietsvarianten herauskristallisiert: Ochsenwäldle mit einer Bruttofläche von 56 Hektar (dabei wird die Erddeponie weitgehend herausgenommen) und Klapfenhardt mit einer Bruttofläche von 40 Hektar, wobei das Verhältnis von Netto- zu Bruttoflächen bei Klapfenhardt (mögliche Nettobaufläche etwa 32 Hektar) deutlich besser als beim Ochsenwäldle (mögliche Nettobaufläche etwa 40 Hektar) ist. Der Unterschied liegt an dem zusätzlichen Flächenbedarf für die naturnah umzulegenden Bäche im Gebiet Ochsenwäldle. Die Stadt Pforzheim hat auf der Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse eine Gegenüberstellung der beiden Gebietsvarianten nach siedlungstechnischen, umwelt- und naturschutzrechtlichen sowie ökonomischen Belangen erstellt, die auf der Homepage der Stadt Pforzheim eingestellt ist. Dort sind auch alle Gutachten und Untersuchungen zu finden.

Wie verhält es sich mit den Kosten?

Ein entscheidender Knackpunkt, warum die Stadt Pforzheim zusätzlich zu dem lange favorisierten Ochsenwäldle, auch das Gebiet Klapfenhardt in die Prüfung mit einbezogen hat, liegt in den hohen Kosten für die Erschließung des Ochsenwäldles begründet. Dieser Kostenvorteil von Klapfenhardt bleibt auch nach der eingehenden Prüfung bestehen. So bestätigt die Staatsforstverwaltung ForstBW in einem Anschreiben an die Stadt Pforzheim schriftlich, dass für den notwendigen Grunderwerb, den die Stadt Pforzheim für den Staatswald Ochsenwäldle tätigen müsste, „aktuell auf der Basis eines Verkaufswertes von 110 €/m² Gewerbefläche ein Einwurfswert von 30 €/m² für die einzubringende Fläche (Bodenwert) ermittelt“ wird. Falls die Stadt Pforzheim später einen höheren Erlös beim Verkauf der erschlossenen Gerwerbefläche erzielen würde, „wird sich dies auch im Einwurfswert niederschlagen müssen.

Näherungsweise kann von einer Abschöpfung von etwa einem Drittel des Mehrerlöses ausgegangen werden“, heißt es in dem Anschreiben weiter, das ebenfalls auf der Homepage der Stadt Pforzheim eingestellt ist. Zwei Beispielrechnungen: Würde die Stadt Pforzheim von einem Verkaufserlös von 150 Euro pro Quadratmeter erschlossener Gewerbefläche ausgehen, müsste sie bei 56 Hektar Bruttofläche insgesamt 24 Millionen Euro für den Grunderwerb tätigen. Kostendeckend wäre die Entwicklung des Ochsenwäldles für die Stadt  aber wohl erst bei einem Verkaufserlös von mindestens 200 Euro. Für den Grunderwerb müssten dann 32 Millionen Euro ausgegeben werden. Hinzu kommt noch ein flächengleicher Naturalersatz in Form von städtischer Waldfläche. Der Wert dieser städtischen Waldfläche wird zwar vom Kaufpreis abgezogen, weil diese Fläche aber nur als forstwirtschaftliche Fläche und nicht wie Ochsenwäldle als Bauerwartungsland bzw. Rohbauland bewertet wird, ist dieser Wert mit ungefähr zwei Millionen Euro deutlich geringer.

Bleibt die Kostenaussage aus dem Jahr 2017/2018 bestehen: „Ochsenwäldle ist für die Stadt etwa 40 Millionen Euro und weitere 10 Millionen Euro für die äußere Entwässerung teurer als Klapfenhardt?

Ende 2017 war die Stadt Pforzheim von Grunderwerbskosten von 30 Millionen Euros ausgegangen. Diese Zahl bleibt im Wesentlichen unverändert (je nach Verkaufserlös etwa 24 bis 32 Millionen Euro) - allerdings bezogen auf eine etwa fünf Hektar kleinere Gebietsabgrenzung. „Für die Abtragung und Verteilung der Erddeponie einschließlich notwendiger Bodenverbesserungsmaßnahmen müssten wir mit geschätzten Kosten von mindestens 9 Millionen Euro rechnen“, hatte die Verwaltung 2017 in einer Pressemitteilung veröffentlicht. Dieser Kostenaufwand wurde zwar durch ein Gutachten bestätigt, durch die weitgehende Herausnahme der Erddeponie aus der Gebietsabgrenzung reduziert sich dieser jedoch auf etwa eine Million Euro.

Die Mehrkosten für die äußere Entwässerung, die als Investitionskosten beim Eigenbetrieb Stadtentwässerung Pforzheim (ESP) anfallen, würden sich beim Ochsenwäldle bei näherer Betrachtung auf 3,6 Millionen Euro im Vergleich zu Klapfenhardt belaufen – statt der ursprünglich angenommen 10 Millionen Euro Mehrkosten. Der Mehraufwand bei Ochsenwäldle wird verursacht durch die höheren Fixkosten für die äußere Entwässerung des Schmutzwassers. Die äußere Entwässerung des Niederschlagswassers ist in beiden Gebieten vergleichbar aufwändig.

Fazit und Ausblick

„Am Ende wird der Gemeinderat die verschiedenen Kriterien sehr genau betrachten und für sich bewerten müssen, ob und wenn ja welches Gebiet er weiterverfolgen möchte“, so OB Boch und Bürgermeisterin Schüssler. Deswegen habe man sich im Rahmen der Informationsveranstaltung bewusst mehr Zeit mit dem gesamten Gremium genommen, um in aller Ruhe über die Faktenlage zu informieren. Nun beginnt die Phase der Kommunikation mit unterschiedlichsten Akteuren. Dazu gehört der Runde Tisch mit den Verbänden und Bürgerinitiativen, genauso aber auch die Kommunikation mit den unmittelbaren Umlandgemeinden. Eine Entscheidung im Gemeinderat ist dann für November geplant.

Alle Gutachten, Stellungnahmen, Untersuchungen, die Gegenüberstellung der Gebietsvarianten, Übersichtskarten und Präsentationen sind auf der Homepage der Stadt Pforzheim abrufbar, unter:

https://pforzheim.de/gewerbeflaechen