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Ein Stück New York in Pforzheim - Ausstellung „Designers in Residence“ im EMMA - Kreativzentrum

Die Suche nach der eigenen Identität inmitten von Vorurteilen und Rollenerwartungen, Erfahrungen eines queeren Kindes in Brasilien oder ein Ort, geschaffen aus dekontextualisierten Materialien und Formen von New Yorker Straßen – die Ausstellung „Designers in Residence“ vom 2. bis 18. Juli 2021 im EMMA – Kreativzentrum Pforzheim zeigt Schmuck, Mode, Performance und Installationen der Stipendiatinnen und Stipendiaten des internationalen Programmes „Designers in Residence“ der Stadt Pforzheim in Kooperation mit dem Design Center Baden-Württemberg und der Hochschule Pforzheim.

Designers in Residence
Arbeit "The Boy who wanted to get his ears pierced" der Stipendiatin Caio Mahin (©Benedikt Adler)
©Foto: Benedikt Adler
Designers in Residence
Arbeit "Matter to Dust" der Stipendiatin Naama Levit (©Benedikt Adler)
©Foto: Benedikt Adler
Designers in Residence
Arbeit "Playground hazards" der Stipendiatin Marina Aleksashina (©Benedikt Adler)
©Foto: Benedikt Adler

Von April bis Juni arbeiteten Marina Aleksashina aus Russland, Naama Levit aus Israel/USA und Caio Mahin aus Brasilien/Portugal an ihren Projekten – in Pforzheim und in New York. Aufgrund von Reisebeschränkungen und politischen Umständen in den USA absolvierte Naama Levit ihr Stipendium digital, und auch Marina Aleksashina und Caio Mahin waren aufgrund der Corona-Pandemie mit einigen Herausforderungen konfrontiert. Daher gehörten Quarantäne-Zeiten, zoom-Gespräche, WhatsApp-Gruppen mit Essens-Bildern, Lockdowns und ein hohes Maß an Flexibilität zum Arbeitsalltag der drei Stipendiatinnen und Stipendiaten.

„Natürlich war die Situation nicht ideal, ich wäre sehr gerne nach Pforzheim gekommen. Trotzdem ist das Ergebnis wie ich finde sehr spannend, da sich so vielfältige Perspektiven ergeben haben: Ich bin eine israelische Designerin, die in New York für ein Stipendium in Pforzheim arbeitet“, resümiert Naama Levit. Für ihre Arbeit „Matter to Dust“ („Zu Staub zerfallen“) beobachtet, dokumentiert und sammelt Naama Levit Momente, Muster und Fundstücke in den Straßen von New York. In einem Akt der Verschiebung werden die Teile und Materialien anschließend zerlegt und in Beziehung zu anderen Materialien, wie z.B. Sand aus ihrer Heimat in Israel, wieder zusammengesetzt. Dabei verwendet sie Formen, die einen utilitaristischen Zweck implizieren und Ereignisse oder ein Ritual suggerieren. Trotz der räumlichen Entfernung entstand in der Ausstellung in Pforzheim eine Art Zwischenort: Ihre Objekte liegen in einem Sandkasten, der für Naama Levit sinnbildlich für einen Schwebezustand, für Räume, die ständig in Bewegung sind, steht. Auf einer New Yorker Dachterrasse entstand zudem eine Performance in Interaktion mit ihren Objekten und einer Installation aus gesammelten Möbelstücken. Naama Levits dokumentarische Fotos der Straßen New Yorks und ihre eingesprochenen Gedanken dazu vermitteln den Besucherinnen und Besuchern einen Eindruck ihrer Sichtweise auf die Stadt.

Das Projekt von Caio Mahin erzählt eine sehr persönliche Geschichte. Die Ringe, Broschen und Stoffpuppen in „The Boy Who Wanted To Get His Ears Pierced“ („Der Junge der sich die Ohren piercen lassen wollte“) beschäftigen sich mit seiner Kindheit in Brasilien, wo er als queeres Kind, das sich für Schmuck, Puppenhäuser oder Barbies begeisterte, mit Ablehnung und Vorurteilen auch innerhalb der Familie konfrontiert war. Sein eigener Körper sowie Gefühle von Einsamkeit, Verletzlichkeit und Unzulänglichkeit gegenüber einer normativen Gesellschaft sind für Caio Mahin daher die primäre Inspirationsquelle. Während seines Stipendiums setze er sich zudem mit Märchen, insbesondere deutschen Volksmärchen, auseinander: „Mein Ziel ist es, einen politisierten Blick auf diese Geschichten zu eröffnen, indem ich zeige, wie sie sich auf das Verhalten von Erwachsenen auswirken, aber auch, um Narrative zu überwinden und zu verdrehen, die oft nicht-normative Körper ausschließen oder sie auf obskure Art und Weise darstellen“, erzählt Caio Mahin. Mit seinen Objekten und auch dem Ausstellungsraum, ganz in Rosa gehalten, schuf er so eine Materialisierung seiner inneren Welt, so als ob er die sicheren Wände des Puppenhauses gebaut hätte, das er nie haben durfte.

Die Besucherinnen und Besucher von Marina Aleksashinas Arbeit „playground hazard“ („Gefahr auf dem Spielplatz“) betreten eine scheinbar heile Welt, einen Kinderspielplatz auf weichem, weißem Untergrund. Gleichzeitig entsteht das Gefühl, dass die Objekte darauf zu instabil für ein wirkliches Spiel sind und man sich in einer restriktiven Zone befindet: „Mein Projekt erforscht die Suche nach der eigenen Identität inmitten von sozialem Druck und dem Gefühl, dass alle Rollen in der Gesellschaft bereits verteilt sind. Die Objekte erinnern an Plüschtiere – das erste Spielzeug, durch das ein Kind die Welt und ihre Regeln kennen lernt. Ein Mensch, der die Objekte trägt, verbiegt sich unnatürlich und spürt die Last des Spielzeuges“, erklärt Marina Aleksashina.

Die Ausstellung läuft vom 2. bis 18. Juli 2021, donnerstags bis samstags 15 bis 19 Uhr und sonntags 11 bis 19 Uhr, im EMMA – Kreativzentrum Pforzheim, Emma-Jaeger-Straße 20, 75175 Pforzheim. Die Eröffnung findet am Donnerstag, 1. Juli 2021 um 19 Uhr via zoom statt, der Link ist unter www.emma-pf.de abrufbar. Am Abend der Vernissage ist die Ausstellung von 19 bis 22 Uhr geöff-net.

„Designers in Residence“ findet in Kooperation mit der Hochschule Pforzheim und dem Design Center Baden-Württemberg statt und wird unterstützt von der Sparkasse Pforzheim Calw, C. Hafner GmbH + Co.KG, dem Rotary Club Pforzheim-Schloßberg, La Biosthetique, Klingel, yellow design gmbh und Witzenmann GmbH.

Marina Aleksashina ist in Moskau geboren und aufgewachsen. Sie studierte akademisches Zeichnen und Malerei und anschließend Modedesign und Art Direction in der Modeindustrie an der HSE Art and Design School in Moskau. Während ihres Studiums interessierte sie sich für soziale und politische Aspekte des zeitgenössischen Designs, was sie auch in ihre Abschlusskollektion einfließen ließ. Mit ihrer Abschlusskollektion erreichte sie das Finale der Design Graduiertenshow von i-D und Artsthread. Neben ihren Modedesign-Projekten interessiert sie sich für interdisziplinäres Design und die Entwicklung von Designräumen. 2018 gewann Marina Aleksashina den Wettbewerb von Hermès zur Gestaltung von Schaufenstern in Moskau.

Naama Levit wurde in Jerusalem geboren, momentan lebt und arbeitet sie in New York. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt auf der Erforschung von Materialien und ihrem Potential zur Transformation. Dabei bewegt sie sich interdisziplinär zischen den Bereichen Schmuck und Ob-jekten, Installation, Performance und Fotografie. Naama Levit studierte Schmuckdesign an der Bezalel Academy of Art and Design in Jerusalem und absolvierte den Master in Metallkunst an der Cranbrook Academy of Art in Michigan, USA. Sie erhielt eine Reihe von Auszeichnungen, darunter den Mercedes Benz Emerging Artist Award, das Verdienststipendium der Cranbrook Academy of Art und das Haystack Mountain AIDA-Stipendium der School of Craft. Ihre Arbeiten wurden bereits in Museen in Israel, in Galerien in den Niederlanden, Deutschland, Polen und Detroit, USA ausgestellt.

Caio Mahin, geboren 1991 in Recife, ist ein brasilianischer Schmuckkünstler mit Sitz in Lissabon, Portugal. Er studierte Design an der Universidade Federal de Pernambuco in Brasilien mit einem Sandwich-Stipendium des brasilianischen Regierungsprogramms „Wissenschaft ohne Grenzen“ am Rochester Institute of Technology (USA), wo er zum ersten Mal mit zeitgenössischem Schmuck in Kontakt kam. Nach dem Abschluss einer dreijährigen Spezialisierung in Schmuck an der ArCo (Portugal), realisiert er derzeit ein unabhängiges Projekt, das teilweise durch das Tereza Seabra-Stipendium für ArCo-Studenten finanziert wird.

 

Pressekontakt:

Alexandra Vogt
Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim
Emma-Jaeger-Straße 20
75175 Pforzheim
Alexandra.vogt(at)ws-pforzheim.de 
07231 39 1874