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Ausgeräumt und Abgestimmt – ein Beitrag von Studentinnen und Studenten des KIT

Seit 2021 besteht eine intensive Zusammenarbeit zwischen dem Seminar »Kulturmanagement. Institutionen und Akteure«, das von Prof. Dr. Chris Gerbing am KIT | Karlsruher Institut für Technologie angeboten wird, und dem Schmuckmuseum Pforzheim im Reuchlinhaus. Seit dem Wintersemester 2022/23 erhält sie als Kooperation eine bessere Sichtbarkeit. Die Studentinnen und Studenten des Nebenfachs »Kulturarbeit« setzen sich im Rahmen des Seminars mit der Sammlung des Schmuckmuseums auseinander. Ihre Aufgabe ist es dabei, ein Kommunikationskonzept zu entwickeln, mit dem insbesondere ihre Altersgruppe angesprochen wird.

©SMPFoto: Chris Gerbing
©gemeinfreiFoto: N.N.

Angesichts der Selbstverständlichkeit, mit der die Digital Natives die Sozialen Medien zur Kommunikation und als Medium der Informationsbeschaffung nutzen, war die Ausrichtung auf diese Art der Publikumsansprache naheliegend. Über den Zeitraum der vergangenen drei Jahre sind verschiedene Reels, Posts und Podcasts entstanden, die auf Instagram gepostet werden können und einem jungen Publikum exemplarisch einzelne Schmuckstücke bzw. thematische Aspekte der Sammlung nahebringen sollen.
Auf Einladung des Schmuckmuseums beteiligen sich die Studenten im Sommersemester 2024 zudem mit einer kleinen Präsentation an dem Projekt »Ausgeräumt – das Schmuckmuseum lädt ein« und der Ausstellung »Abgestimmt – Besucher wählen«, das Teil der Ornamenta Lust ist. Übergreifendes Thema der beiden Gruppen war »Luxus«, wobei sich eine Gruppe insbesondere den Uhren im Schmuckmuseum widmete, die andere Gruppe die Fabergé-Eier aus der Manufaktur Victor Mayer in den Fokus rückte.  

Was ist Luxus?
Auf einer generellen Ebene lässt sich zwischen immateriellem und materiellem Luxus unterscheiden. Bei ersterem handelt es sich beispielsweise um Lebensqualität, dem individuellen Wohlergehen oder (Frei-)Zeit. Unter materiellen Luxus fallen Objekte, die das eigene Prestige und das eigene Statusdenken fördern, die über das zwingend zum Leben Notwendige hinausgehen.
Das persönliche Verständnis von Luxus ist aber immer abhängig von den eigenen gesellschaftlichen Verhältnissen. Auch heute noch gelten materielle Luxusgüter als Symbol für den gesellschaftlichen Aufstieg. In diesem Zusammenhang gilt: Jemand, der alles hat, kann leichter sagen, dass auch Zeit Luxus sein kann, als eine Person, die tagtäglich ums Lebensnotwendige kämpfen muss.

Uhren & Luxus
Uhren – insbesondere handgefertigte Luxusuhren – werden von der breiten Masse als Luxusobjekt klassifiziert, über das dem Träger ein hohes Prestige und hoher Status zugeschrieben wird. Doch warum haben ausgerechnet Uhren diesen Status- und Luxuscharakter? War es früher Ausweis des Interesses an technologischen Neuheiten, so geht heute von teuren Armband- und Taschenuhren neben der großen Faszinationskraft an Feinmechanik und hochwertigen Materialien auch eine Mixtur von Emotionen, Mythen und Werten aus. Dabei resultiert der ihnen zugeschriebene Wert aus dem subjektiv wahrgenommenen Produktionsaufwand und den realen Fertigungskosten. Vor allem im Luxussegment der Produktion von Uhren mit ihren filigranen Bestandteilen, die der Ganggenauigkeit dienen, aber auch in ihrer optischen Ausgestaltung ist der Faktor Mensch nicht wegzudenken.
Die hier ausgestellten Uhren stehen exemplarisch dafür, dass Luxus immer auch von einem Flair umgeben ist. Sie repräsentieren den Wert, stehen symbolisch für die Zeit, in der sie entstanden sind, und zeigen auf ihre eigene Weise, warum Uhren bis heute einen hohen Stellenwert in der Welt des Luxus besitzen. Luxus ist, das wird exemplarisch an den vier Uhren deutlich, ein breit gefächertes Phänomen, das in kleinen Objekten seinen Ausdruck finden kann.
Im Rahmen des Projekts sind verschiedene Arbeiten entstanden, über die sich die Besucher mit den beiden Themenfeldern ausführlicher auseinandersetzen können. Zur Verfügung stehen eine kurze Lektüre zur Funktionsweise einer Taschenuhr, ein historischer Überblick zu ihrer Entwicklung mit einer kurzen Einführung zur Verbindung zum Oberhema »Luxus« sowie ein kleine Uhren-Lexikon, in dem gestöbert werden kann. In einer Crossmedia-Story wird der Einblick in die Welt des Luxus und der Uhren über audiovisuelle und visuelle Medien ermöglicht, in den zwei Podcast-Folgen nehmen die Studenten die Zuhörerinnen und Zuhörer mit auf die Reise zur Ausbildung und Etablierung von Luxus, begleitet von berühmten Persönlichkeiten wie dem Sonnenkönig Ludwig XIV.

Fabergé-Eier & Luxus
Fabergé-Eier sind ein Symbol für höchste Handwerkskunst und exquisite Materialien. Jedes Ei ist ein Meisterwerk, das aufwendig von Hand gefertigt wurde, oft unter Verwendung von Edelmetallen, Edelsteinen und komplizierten Mechanismen. Die Fabergé-Eier zeichnen sich durch ihre künstlerische und technische Perfektion aus, die sie zu einem Inbegriff von Luxus machen.
abergé-Eier fallen eindeutig in die Kategorie des materiellen Luxus. Sie sind Objekte, die weit über das Notwendige hinausgehen und dem Besitzer einen hohen gesellschaftlichen Status verleihen. Diese luxuriösen Kunstwerke wurden ursprünglich für die russische Zarenfamilie gefertigt: 1882 verschenkte Zar Alexander III. (1845–1894) erstmals ein Ei aus der Manufaktur von Carl Peter Fabergé (1846–1920) an Ostern, das sogenannte Hennen-Ei, das er seiner Ehefrau Maria Fjodorowka übergab. Die Tradition, jährlich ein bis zwei dieser kostbaren Eier zu verschenken, übernahm sein Sohn Zar Nikolaus II. (1868–1918). Die nach dem Hofjuwelier des Zaren benannten Eier setzen den Brauch der christlich-orthodoxen Kirche fort, anlässlich des höchsten kirchlichen Fests ein Ei und drei Küsse zu verschenken – vom Hühner-, über Holz- bis zu Prunkeiern. Dabei stehen die Fabergé-Eier damals wie heute für exquisite Goldschmiedekunst, gepaart mit höchst filigraner Feinmechanik und sind damit ein Symbol für Luxus. Bis heute sind sie begehrte Sammlerstücke, die oft für Millionen von Dollar verkauft werden. Einige der historischen Pretiosen können im Fabergé-Museum in Baden-Baden besichtigt werden.

Wie bei allen Luxusgütern hängt auch die Wahrnehmung von Fabergé-Eiern stark von den individuellen gesellschaftlichen Verhältnissen ab. Sie sind mehr als nur dekorative Objekte – sie sind Erbstücke, die Geschichten und Traditionen über Generationen hinweg tragen. Der Besitz eines Fabergé-Eis ist daher nicht nur ein Zeichen von materiellem Wohlstand, sondern auch von kulturellem Bewusstsein und Wertschätzung für die Vergangenheit.

Die »Goldstadt« Pforzheim hat dabei einen ganz besonderen Bezug zu Fabergé-Eiern: Nach Jahrzehnten des »Dornröschenschlafs« wurde die Pforzheimer Firma Victor Mayer von Fabergé beauftragt, diese Tradition fortzusetzen, nachdem es anlässlich der Krönung von Zar Nikolaus II. (1896) und des 300. Jubiläums der Zarenfamilie Romanow (1913) bereits Kontakte gegeben hatte, die zu Aufträgen geführt hatten. Einige der in der Nachkriegszeit in Pforzheim produzierten Fabergé-Eier aus der Manufaktur Victor Mayer sind hier im Schmuckmuseum ausgestellt.

Im Rahmen des Seminars entstanden Posts und Reels für Instagram, die sich an ein junges Publikum richten und Aufmerksamkeit für das Schmuckmuseum erzeugen sollen. Ein Interview mit dem Urenkel des Unternehmensgründers, Dr. Marcus Oliver Mohr, führt zudem eindrücklich die lebendige Tradition der Fabergé-Eier-Produktion in Pforzheim vor Augen.